
Ähnliche Beweggründe des Zusammenschlusses von älteren Menschen führten zur Gründung eines Seniorenclubs im Jahre 1998. Die Gründerväter Semjon Abel und Vil Dubovoi wussten, dass gemeinschaftliche Aktionen notwendig waren, um der Vereinzelung und Vereinsamung entgegenzuwirken. Die Jüdische Gemeinde wurde zur Heimat des jetzt als Verein geführten Clubs mit Vereinssatzung, Vorstand, Schatzmeister, Clubbeiträgen. Vil Dubovoi, im früheren Leben Chef einer großen Firma, führte diesen Club mit sicherer Hand. Die Seniorinnen und Senioren, die sich freuten, frei wieder ihr Judentum leben zu dürfen, trafen sich jede Woche mittwochs zum Lernen, Feiern, Reisen und um sich gegenseitig zu unterstützen. Auch die Erinnerungen und Ehrungen der „Veteranen“ wurden fester Bestandteil ihrer Arbeit. Sukzessiv leiteten nach seinem Tod die ebenfalls früheren Firmenleiter Rudolph Grinberg und David Gringaus den Club. Dieser löste sich jedoch im Jahre 2017 auf, es blieben lediglich die gemeinsamen Feiern zum 9. Mai, Frauentag und Herbstball, initiiert von Rosa Goldstein, die Geburtstagsfeiern und der „Samowar“ von Larissa Faine.
„NASCH DOM“
(„Unser Haus“ „Beiteinu“)
Lange lag die von vielen älteren Menschen herbeigesehnte Betreuungsarbeit flach, bis zu Beginn des Jahres 2024 die dafür speziell in Israel ausgebildete Rebbezen, Nurit Teitelbaum, ein neues Projekt ins Leben rief mit dem Namen „Nasch Dom“. Ein Zuhause für alle mit allen ihren persönlichen Wünschen, Nöten und menschlichen Bedarfen.
Es ist ein Projekt gegen die Vereinsamung, für Lebensfreude, Bewegung und soziales Miteinander. Jeden Sonntag treffen sich Seniorinnen und Senioren, um Vorträge zu lebensnahen und gesundheitlichen Themen zu hören, zu diskutieren, zu gemeinsamen Mahlzeiten und um durch therapeutisch geleiteten Sport in Bewegung zu kommen.
„Als Teil meiner Ausbildung lernte ich auch, geistige Unterstützung für Menschen aus allen Generationen zu leisten. Es gibt Bedarf in allen Altersgruppen, nicht nur Probleme anzugehen, sondern darüber hinaus in Positivität und Freude zu investieren…Vor allem ist es mir wichtig, Techniken zu lehren, wie man vermeidliche Nachteile im eigenen Leben in Vorteile verwandeln kann. Deswegen suche ich aktiv den Kontakt zu den Menschen, die daran interessiert sind, kleine Hilfestellungen zu bekommen, um weiter zu wachsen.“ (Nurit Teitelbaum) Dieses Projekt ist sehr erfolgreich und wird auch mit einer Mehrgenerationenarbeit erweitert werden.
Bikur Cholim
Der hebräische Begriff Bikur Cholim bedeutet „Krankenbesuch“ im weitesten Sinne.: Widmet sich ein Mitglied einer jüdischen Gemeinde einem kranken Mitmenschen, erfüllt es gleich mehrere Gebote der Tora. Der Krankenbesuch ist von dem Gebot der Nächstenliebe (Lev. 19,18) nicht zu trennen und für alle jüdische Menschen eine heilige Pflicht („Mitzwa“).
„Sie gilt im Übrigen nicht nur für Israeliten, sondern auch ist der Besuch bei Nicht-Israeliten auszuführen, um gute gesellschaftliche Beziehungen zu bewahren. Ein Erwachsener hat die Pflicht, auch kranke Kinder zu besuchen,(…)ein Frommer soll auch Unfromme besuchen“ (Kottek 2010, S. 35).
Über den Ursprung des jüdischen Krankenbesuches informierte der Sozialmediziner Dr. Hanauer anlässlich der Einweihung des israelitischen Krankenhauses in Frankfurt im Jahre 1914:
„In vielen Städten befanden sich zur Zeit des Tempels (ca. 1000 v.u.Z.-70 n.u.Z.) fromme Bruderschaften, die neben der Armenpflege und der Totenbestattung auch die Krankenpflege ausübten. Diese Bruderschaften sind die Vorläufer der noch heute in fast allen Gemeinden bestehenden „Chewra Kadischa“ und dem entsprechenden Frauenverein. Die Bikkur Cholim bleibt nicht auf die Krankenpflege beschränkt, sondern soll den Kranken auch psychisch unterstützen, ihn unterhalten und trösten, für seine Genesung beten, wie es heute auch in den Synagogen üblich ist.“
Auch in Bremen gab es immer Menschen, die die „Gmilut Hasadim“, das Geben von Liebe und Zuwendung, die Wohltätigkeit ausübten, vor und nach der Shoah. Zur Wiederbegründung eines Vereins „Bikkur Cholim kam es im Jahre 2016 mit dem Vorsitz von Rabbiner Teitelbaum und Rosa Goldstein. Unter deren Leitung und zusammen mit der Integrationsabteilung der Bremer Jüdischen Gemeinde leisten mehrere Gemeindemitglieder soziale Fürsorge, sprachliche Unterstützung bei Arztbesuchen oder in Krankenhausaufenthalten, Hilfen bei Antragsstellungen für Pflegedienste und andere Ämter, seelischen Beistand für bettlägerige Frauen und Männer zuhause, Vorbereitung für spezielle Krankengebete in der Synagoge.
Auch das Spenden für die Tätigkeit des Vereins ist eine „Zedaka“, ein Akt der Wohltätigkeit.