Ins Gesicht geschrieben (Ausstellung)

Fotografische Porträts aus der Jüdischen Gemeinde von Rainer Geue

Die porträtierten Menschen sind Zeugen eines durch die Shoah geprägten Jahrhunderts. In den Ländern der ehemaligen Sowjetunion haben sie während der Kriege und des Nationalsozialismus Abgründe
systematischer Gewalt, Verachtung, materielle Not und namenloses Leid erlebt. Viele sind dem Tod mehrfach knapp entkommen.
Alle haben zahllose Angehörige verloren und unter dem sowjetischen Regime weitere antisemitische Repressalien und tägliche Diskriminierungen erlitten.

Alle haben in hohem Alter entschieden, ihr Zuhause, ihr vertrautes Umfeld, ihre alltägliche und sprachliche, nicht aber ihre jüdische Kultur zu verlassen. Um in Deutschland, ausgerechnet Deutschland, ihren Lebensabend zu verbringen.

Die Aufnahmen von ihren Gesichtern erzählen ihre Lebensgeschichten jenseits der Sprache. In der starken Vergrößerung offenbaren sie emotionale Landschaften voller Ambivalenzen. Unaussprechliches wird lesbar und Unvorstellbares sichtbar.

2010 begegnet Rainer Geue Alexander Arbisman. Kurz darauf fotografiert er ihn.
Sein Porträt wird das erste der Serie. 2011, an seinem 100. Geburtstag, wird der geborene Cohen in der Synagoge zum Toralesen aufgerufen. Die Gemeinde gratuliert ihm singend. Er dreht sich leicht dazu, wiegt sich mit den Klängen, tanzt mit den Händen in der Luft, sein Zauberlächeln auf den Lippen.
Zwei Monate später verstirbt er.

Die Bilder erzählen aus 19 Leben. Und davon, dass das Leben größer ist als wir.