Autor Karolina Benedyk (Weser Kurier)
Wie jüdisches Leben in Bremen besser vor Übergriffen geschützt werden soll
Bremen. Schon beim Betreten des jüdischen Gemeindezentrums in Bremen fällt die verstärkte Polizeipräsenz auf: Ein Beamter bewacht das Tor, gegenüber der Synagoge stehen Streifenwagen. Wer das Gelände am Donnerstag betritt, wird kontrolliert. Sicherheitsmaßnahmen, die notwendig seien, da Jüdinnen und Juden Bremen sich nicht sicher fühlen, sagt Elvira Noa, die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Bremen.
Einzelne Gläubige berichten, dass sie aus Angst ihre Kippa, die traditionelle Kopfbedeckung jüdischer Männer, nicht mehr öffentlich tragen. Viele trauen sich nicht, ihre Religion oder Kultur offen zu leben – und das nicht erst seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel. Seitdem habe sich die Lage aber deutlich verschärft.
Auch Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) bestätigt einen Anstieg politisch motivierter Straftaten. Besonders antisemitische Taten, also solche, die sich gegen Menschen jüdischen Glaubens richten, hätten im vergangenen Jahr zugenommen. Waren es 2023 noch 71 registrierte Vorfälle, erhöhte sich die Zahl ein Jahr später auf 107 Straftaten.
Um der Entwicklung entgegenzuwirken, trafen sich am Donnerstag Vertreterinnen und Vertreter des Senats mit dem Vorstand der jüdischen Gemeinde. Gemeinsam berieten sie über konkrete Maßnahmen zum Schutz jüdischen Lebens in der Stadt. Ziel sei es, so betonten beide Seiten, Bedingungen zu schaffen, unter denen Jüdinnen und Juden in Bremen sicher, frei und ohne Angst leben können.
Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) kennt die Sorgen der Gemeinde. Bei einem Bürgergespräch mit mehr als
100 Mitgliedern sprach er mit ihnen über ihre Alltagserfahrungen und Ängste, „direkt und ungefiltert“, wie er betont. „Das war sehr bedrückend.“
Trotz der Sicherheitslage beschreibt Bovenschulte das jüdische Leben in Bremen als lebendig. Es gebe eine jüdische Studierendenvereinigung, Sportvereine, Hochschulgruppen und öffentliche Veranstaltungen. Um diese Strukturen zu bewahren und zu stärken, verfolgt die Politik zwei Strategien: „Einerseits das entschlossene und konsequente Vorgehen von Polizei und Justiz, andererseits Sensibilisierung und Aufklärung zum Thema Antisemitismus“, sagt Bovenschulte.
Polizei und Justiz sollen in der konsequenten Verfolgung antisemitischer Straftaten weiter gestärkt werden. „Aber auch das gesellschaftliche Bewusstsein und die Sensibilität müssen wachsen“, betont er. Künftig soll unter anderem die öffentliche Verwaltung durch Schulungen für Antisemitismus sensibilisiert werden, zugleich soll die gesellschaftliche Resilienz gestärkt werden. Dazu gehört unter anderem eine Fachstelle für gesellschaftlichen Zusammenhalt, die Lehrkräfte im Umgang mit Konfliktsituationen berät.
„Das sind konkrete Schritte, die uns und der Bevölkerung helfen sollen, widerstandsfähiger gegenüber Rassismus, Antisemitismus und Gewalttaten zu werden“, sagt Elvira Noa. Sie berichtet, dass die Angst in der jüdischen Gemeinschaft nach wie vor groß sei. Das Sicherheitsgefühl sei massiv beeinträchtigt.
Eltern und ältere Gemeindemitglieder achteten sehr genau darauf, dass die Polizei die jüdischen Einrichtungen schützt. „Gerade Eltern, deren Kinder den Kindergarten der Gemeinde besuchen, legen großen Wert auf eine ständige Polizeipräsenz“, sagt Noa. Kommt es zu Verzögerungen, etwa durch das verspätete Eintreffen von Einsatzkräften, blieben manche Kinder zu Hause.
Auch die Teilnahme an Veranstaltungen sei spürbar zurückgegangen. „Die Menschen haben Angst, hierherzukommen“, sagt Noa.